Die Zukunft des Property und Facility Managements
Wie digitale Lösungen die Arbeit 2023 und darüber hinaus verändern werden
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Zahlreiche Schwellenländer erfuhren in den letzten Jahren einen regelrechten Immobilienboom. Unter ihnen die Länder Nordafrikas. Trotz der geographischen Nähe zu Europa war die Region lange für viele Investoren ein weißer Fleck auf der Landkarte. Ein Markt mit hohen Risiken und wenig Kapital. Doch der wirtschaftliche Aufstieg einstiger Entwicklungs- und Schwellenländer, wie Indien und China, brachte das Blatt zum Wenden. Sie gesellten sich zu den traditionellen Investitionspartnern Afrikas – Europa und den USA. Das Potenzial des zweitgrößten Erdteils der Welt wurde allmählich erkannt und brachte frisches Kapital, in Form von Investitionen, nach Afrika.
Eine rasche Urbanisierung und die Stärkung der Mittelschicht führten zu einem Immobilienboom, dem natürlichen Nebenprodukt des Wachstums aufstrebender Märkte. Während das generelle Wachstum sich mittlerweile moderat zu entwickeln scheint, schreiten Bautätigkeiten weiterhin in rasantem Tempo voran. Diese Entwicklung überträgt sich auch auf die Immobilienbranche. Unterstützt durch Veranstaltungen wie das Real Estate Development Summit – North Africa oder Organisationen wie die MENARES (Middle East and North Africa Real Estate Society) finden in ihrem Sinne sinnvolle Engagements und geschäftliche Kooperationen statt.
Die MENA-Region im Aufwind
Vor knapp zehn Jahren, im Nachzug des Arabischen Frühlings, begann in der nordafrikanischen Immobilien- und Baubranche ein neues Entwicklungsstadium. Die rechtliche und wirtschaftliche Lage verbesserte sich in vielen MENA-Staaten (Middle East and North Africa). Dies lockte ausländische Investorinnen und Investoren an, wodurch dringend benötigte finanzielle Mittel in die Region geschwemmt wurden. Auch Baufirmen, Subunternehmen und Lieferanten aus der ganzen Welt betraten den Markt. Zwar steht die Situation in Nordafrika weiterhin auf dünnem Eis und Libyen bleibt weitgehend vom Weltmarkt ausgeschlossen, der Trend hin zur Öffnung hält jedoch in den meisten nordafrikanischen Staaten weiter an. Mit der Covid-19 Pandemie wurde der bisherige Status quo jedoch wieder auf den Kopf gestellt. Die Inflation und die Rohstoffknappheit machen Ländern wie Marokko oder Tunesien schwer zu schaffen. Auch das Ausbleiben der Touristenströme während den letzten zwei Jahre führte dazu, dass touristische Bauprojekte wie Hotels, Freizeitparks etc. pausiert oder verworfen wurden.
Noch viel wenig genutztes Potenzial gibt es im Bereich der Solarthermie. Dabei zeigt eine Prognose, dass allein in Algerien ein Erzeugungspotenzial für 80.000 Terrawattstunden pro Jahr besteht. Für Lybien sind es 70.000 TWh/Jahr und Marokko 40.000 TWH/Jahr.
Dieser Beitrag legt ein Augenmerk auf den Stand und auf die Entwicklung der Bau- und Immobilienindustrie der Maghreb-Staaten und Ägypten.
Algerien
Bereits in den Jahren vor der Pandemie befand sich der algerische Bausektor in einer Krise. Ein Großteil der lokalen Immobilienunternehmen ist in Algerien von staatlichen Aufträgen abhängig. Die Regierung beschloss jedoch strikte Sparmaßnahmen und strich oder verschob öffentlich finanzierte Projekte. Viele algerische Bauunternehmen waren nicht konkurrenzfähig, konnten ihre Verluste nicht ausreichend in der Privatwirtschaft kompensieren und mussten daher Personal entlassen. Chinesische und türkische Unternehmen nutzen die Chance und füllten die Lücke, welche die geschwächten algerischen Baufirmen hinterließen.
Um den Devisenabfluss zu verringern, will die Regierung in Zukunft wieder vermehrt Aufträge an algerische Unternehmen vergeben. Mit den hohen Ölpreisen kann sich Algeriens Staatskasse erholen, auch wenn das Preisniveau importierter Baustoffe weiter ansteigt. Durch die Nutzung eigener Energiequellen wie Öl oder Sonnenenergie hat Algerien das Potenzial, die inländische Inflation in Schach zu halten.
Seit Ende 2022 zeigt der Trend des Bauwesens wieder klar nach oben. Der Markt ist knapp 40 Milliarden US-Dollar groß, Tendenz steigend: Von 2022 bis 2026 wird von einem jährlichen Wachstum der Baubranche von 4 Prozent pro Jahr ausgegangen.
Ägypten
Ägypten ist die größte Volkswirtschaft Nordafrikas, eine dominierende Macht in der Region und das einwohnerstärkste Land im arabischen Raum. Obwohl Ägypten immer wieder von Unruhen und politischen Krisen geplagt wurde, ist die Baubranche Ägyptens die stärkste in ganz Nordafrika und einer der stärksten auf dem Kontinent. Das Land im Nordosten Afrikas verfügt neben den Pyramiden auch über eine Reihe moderner und beeindruckender Bauprojekte.
Eines dieser Bauprojekte ist das Grand Egyptian Museum, welches nach der Fertigstellung dieses Jahres eines der größten Museen der Welt werden soll. Bereits fertiggestellt ist der zweite Suezkanal; rund 150 Jahre nach der Fertigstellung der ersten Rinne wurde im Jahr 2015 ein zweiter Kanal eröffnet. Statt der geplanten 4 Milliarden US-Dollar verschlang der Bau schlussendlich, mit 9 Milliarden US-Dollar, mehr als das Doppelte. Noch um einiges teurer wird das 500 Quadratkilometer große Cairo New City. Die Planstadt soll Kairo als Hauptstadt ablösen und wird mindestens 45 Milliarden US-Dollar kosten.
Weniger ambitioniert sind die Aussichten an der Rotmeer-Küste. Die politischen Unruhen, Anschläge und die Pandemie führten dazu, dass der Tourismus in Badeorten wie Sharm El Sheikh und Hurghada stark zurückging. Hotelanlagen werden seltener renoviert oder umgebaut. Viele Bauprojekte werden noch während der Bauphase verworfen.
Trotz allen Hindernissen dürfte das Bauwesen in Ägypten weiter wachsen. Viele internationale Baukonzerne erkennen das Potenzial und drängen zunehmend auf den ägyptischen Markt vor. Der Bausektor ist heute bereits für 6 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes verantwortlich. Bis 2026 wird erwartet, dass die Branche pro Jahr um 5 bis 6 Prozent wächst.
Marokko
Traditionell gilt die Bau- und Immobilienwirtschaft Marokkos als eine der robustesten der Region. Als treibende Kraft hierfür wurden vor allem die stark zunehmenden Besucherzahlen und eine größere Beliebtheit bei ausländischen Investoren gesehen. Mit dem Aufkommen der Pandemie wurde der Höhenflug des marokkanischen Bauwesens allerdings zu einem abrupten Ende gebracht. Manch ein Bauunternehmen im Land musste Umsatzverluste von bis zu 50 Prozent verbuchen. Verglichen mit der Situation des Bausektors in Mitteleuropa sind dies apokalyptische Zahlen.
Über das Jahr 2021 und Anfang dieses Jahres konnte sich die Branche etwas erholen. Noch ist sie allerdings weit vom Vor-Corona-Wert entfernt. Anfang 2022 stabilisierten sich die Zahlen zwar, die Rohstoffknappheit droht die wieder angefachte Flamme jedoch gleich wieder zu erlöschen. Die Wachstumsprognosen über die nächsten drei Jahre wurden von 4 bis 5 Prozent pro Jahr auf 3,5 Prozent angepasst.
Großes Potenzial wird in Marokko in den nächsten 25 Jahren im Wohnungsbau gesehen. Obwohl die Geburtenrate stark abgenommen hat, liegt sie noch immer über der Sterberate. Dazu kommt, dass die Lebenserwartung steigt, wodurch die Bevölkerung weiterhin wächst. Zudem hat der Wohlstand und die Urbanisierung zugenommen. Viele Marokkanerinnen und Marokkaner können sich einen höheren Lebensstandard leisten, als die Generation ihrer Eltern. Dazu gehört auch eine modernere und größere Wohnung. Bis 2025 könnte sich die Urbanisierungsquote von 65 auf 75 erhöhen, die Bevölkerung dürfte um ein Viertel anwachsen.
Ausländische Direktinvestitionen
Viele afrikanische Staaten gingen aus ehemaligen Kolonien Frankreichs und Englands hervor. In Nordafrika ist dies nicht anders. Aufgrund der kolonialen Hintergründe und den daraus resultierenden sprachlichen Gemeinsamkeiten, pflegen die Maghreb Länder enge wirtschaftliche und politische Beziehungen zu Frankreich. Ägypten war ein britisches Protektorat, jedoch keine Kolonie. Der britische Einfluss in Ägypten ist dementsprechend schwächer als der französische Einfluss in Algerien, Marokko und Tunesien. Auch andere EU-Länder wie Deutschland oder Italien investieren in Nordafrika. Zu einem der größten Geldgeber gehören seit Langem die Vereinigten Staaten von Amerika.
In den letzten zwei Jahrzehnten stiegen die Investitionen aus der Türkei, aus Indien und vor allem aus China massiv an. China hat das Potenzial des afrikanischen Kontinentes bereits in den 80er-Jahren erkannt. Seit der Jahrtausendwende haben die Investitionen jedoch nochmals merklich zugenommen. China baut Infrastrukturprojekte in ganz Afrika und investiert in großem Maße in Immobilien und Unternehmen.
Chancen einer aufstrebenden Mittelschicht
Die Staaten Nordafrikas legten in den letzten Jahrzehnten einen beeindruckenden demografischen Wandel an den Tag. Anfangs der 1970er-Jahre hatte die durchschnittliche Frau in Marokko, Algerien, Tunesien und Ägypten noch sieben Kinder. Heute liegt die Geburtenrate in den Staaten Nordafrikas bei gerade einmal noch 2,17 (Tunesien) bis 3,28 (Ägypten). Bis auf Libyen haben auch die Bildungs- und Einkommenschancen einer großen Bevölkerungsschicht zugenommen. In Europa ist Afrika nicht für wirtschaftlichen Erfolg oder für eine stabile Mittelschicht bekannt. Die Staaten Nordafrikas zählen aber zu den vermögendsten des Kontinentes. Im HDI (Human Development Index, ein Index, welcher die menschliche Entwicklung eines Landes misst) stehen die Staaten Nordafrikas, im afrikanischen Vergleich, beinahe ausschließlich an Spitzenpositionen. Von insgesamt 53 afrikanischen Ländern rangiert kein nordafrikanisches Land tiefer als Platz 10. Als Staaten mit hoher menschlicher Entwicklung werden Algerien (Rang 3 in Afrika), Tunesien (Rang 4 in Afrika), Libyen (Rang 6 in Afrika) und Ägypten (Rang 8 in Afrika) eingestuft. Marokko gilt als einziger nordafrikanischer Staat als Land mit mittlerer menschlicher Entwicklung (Rang 10 in Afrika). Auch bezüglich Einkommen und Einkommensverteilung gehören die Staaten Nordafrikas zu den Spitzenreitern des Kontinents.
Wie in vielen anderen Staaten der arabischen Welt erhielten in den letzten 50 Jahren große Teile der Bevölkerung Zugang zu einer signifikant höheren Lebensqualität. Eine Ausnahme bildet auch hier wieder Libyen, das nach dem Sturz des Regimes in einen Bürgerkrieg verfiel, welcher weiter andauert.
In den anderen nordafrikanischen Staaten hat die Mittelschicht jedoch zugenommen. Obwohl es auch in Nordafrika wirtschaftliche Probleme, eine hohe Inflation und politische Krisen gibt, steigt das Konsumverhalten tendenziell. Die Pandemie hat eine Delle hinterlassen, die Nachfrage in den Ballungsräumen ist seither jedoch bereits wieder stark gestiegen. Da auch die Lebenshaltungskosten und die Immobilien teurer werden, ist auch in Nordafrika ein Trend hin zum Mieten erkennbar. Die Wohneigentumsquote in Nordafrika liegt zwar weiterhin deutlich über der des DACH-Raums, (Marokko 73,3 Prozent, Ägypten 76 Prozent, Algerien 70 Prozent, Tunesien 72 Prozent) sie sinkt jedoch stetig. Neben den höheren Preisen hat dies vor allem mit dem sozialen Wandel zu tun; die jüngere Generation ist tendenziell flexibler, was Arbeit, Wohnort und Familienplanung angeht. Vor allem in der gebildeten, urbanen Mittel- und Oberschicht herrschen mittlerweile liberalere Ansichten bezüglich Wohnen, Arbeit und Familie, als noch vor einigen Jahrzehnten. Dies hat Auswirkungen auf den Immobilienmarkt; Mietwohnungen im urbanen Raum sind stark nachgefragt. Besonders ausgeprägt ist diese Nachfrage in Ägypten und in Marokko.
Alte Probleme werden allmählich ausgebügelt
Ausländische Investoren beflügeln nicht nur die Wirtschaft, sondern bringen auch frisches Know-How mit. Die Hoffnung vieler ist frischen Wind in veraltete Geschäftsprozesse zu bringen, um dabei zu helfen schlechte Angewohnheiten und festgefahrene Prozesse der Immobilienbranche auszumerzen. Diese wären unter anderem:
- Cashflow-Engpässe und verspätete Zahlungen von Arbeitgebern: Ein zentrales Anliegen vieler, da Vorfälle dieser Art dazu führen Bauarbeiten zu unterbrechen. Auch häufige Inflationsschwankungen der Landeswährungen wirken sich negativ auf Bauprojekte aus, wenn diese auf importierte Materialien, Geräte und Maschinen angewiesen sind.
- Arbeitsmarktbestimmungen: Ausländische Unternehmer sahen sich aus arbeitsmarkttechnischer Sicht lange im Nachteil. Regelungen und zu erfüllende Quoten für betreffend der Einstellung von ausländischem Personal fällt meist zugunsten einheimischer Arbeitnehmer aus (z. B.: das nach ägyptischem Recht einzuhaltende Verhältnis zwischen ausländischen und ägyptischen Arbeitnehmern. Das Gesetz verpflichtet Arbeitgeber, dafür zu sorgen, dass 90% ihrer Arbeitnehmer ägyptische Staatsangehörige sind). Einschränkungen dieser Art können sich für Auftragnehmer und Subunternehmer als lästig erweisen, die spezialisierte Arbeitskräfte benötigen, welche auf dem lokalen Arbeitsmarkt möglicherweise nicht zu finden sind. Es ist daher wichtig, Geschäftsstrukturen zu identifizieren, die ganz oder teilweise von solchen Beschränkungen ausgenommen sind.
Wie das Sprichwort sagt: „Vorbeugen ist besser als heilen“. Wird der Markt in seiner Entwicklung nicht gestört, werden auch schlechte Angewohnheiten der Vergangenheit ausgebügelt werden können. Dass der nordafrikanische Immobilienmarkt auf dem besten Weg ist, zeigt die Entstehung von Proptechs wie Chantier (Tunesien) oder Aqarmap (Ägypten). Durchaus positive Zeichen eines vielversprechenden Marktes.
Fazit
Nordafrika hatte in den letzten Jahrzehnten mit politischen Unruhen, Terror und wirtschaftlichen Krisen zu kämpfen. In den Jahren nach dem arabischen Frühling erlebte der Bau- und der Immobilienmarkt jedoch einen starken Aufschwung. Die wachsende Mittelschicht, gelockerte Gesetze und prestigeträchtige Megaprojekte lockten ausländische Investoren und Bauunternehmen an. Ausgenommen von diesem Aufschwung war Libyen, das als eines der wenigen Staaten weltweit einen Rückgang im Human Development Index verzeichnete. Der Bürgerkrieg, die Machtkämpfe und der Ausschluss internationaler Märkte verhindern momentan ein nachhaltiges Wachstum der libyschen Wirtschaft.
Mit der Covid-19 Pandemie wurden Baubranchen auf dem ganzen Globus getroffen. Auch in Nordafrika hatten Baufirmen zu kämpfen und mussten im Jahr 2020 starke Umsatzeinbußen hinnehmen. Ab 2021 entspannte sich die Situation zwar wieder, nun bedrohen allerdings die Inflation und die Rohstoffknappheit den Markt. Über die nächsten Jahre hinweg wird dennoch in allen nordafrikanischen Staaten (außer Libyen) ein Wachstum der Baubranche von 3,5 bis 6 Prozent erwartet. Das größte Potenzial findet sich im Wohnungsbau und in der touristischen Infrastruktur. Moderne Finanzierungsmöglichkeiten, ein effizienteres Management und ein liberalisierter Markt könnten dabei helfen, die nordafrikanische Bau- und Immobilienbranche weiter zu fördern.