Die Architektur der Zukunft
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Aktuelle Statistiken belegen, dass über die Hälfte der Architektur-Studierenden von Frauen besetzt werden. Blickt man in die Baubranche, lassen sich nur 30 Prozent der Absolventinnen finden. In den Führungspositionen sind lediglich 10 Prozent von weiblichen Führungskräften besetzt. Warum ändert sich der Trend hin zur Anpassung der Geschlechterverteilung kaum? Was hat es mit der Männerdomäne „Architekt“ 2023 auf sich? Welchen Einfluss nehmen die Themen Familie und Beruf auf Beschäftigungen von Architektinnen? Im folgenden Beitrag erfahren Sie, welchen Herausforderungen und Problemen Frauen in der Architektur und Baugewerbe gegenüberstehen und welche Architektinnen man 2023 kennen sollte.
Fehlende weibliche Vorbilder? Genau hinsehen lohnt sich!
Obwohl Architektur lange Zeit Männern vorbehalten war, haben Frauen in der Architekturgeschichte bis heute bewiesen, dass sie sich nicht hinter ihren männlichen Kollegen zu verstecken brauchen. Ein frühes Beispiel ist die Österreicherin Margarete Schütte-Lihotzky. Sie entwarf zum Beispiel die sogenannte „Frankfurter Küche“ für den sozialen Wohnungsbau in Frankfurt und war somit eine der wenigen Frauen, die um 1925 in der Architektur aktiv tätig waren. Zur selben Zeit studierte Lilly Reich mit Mies van der Rohe in Stuttgart, sowie Marlene Moeschke-Poelzig, die später Hans Poelzig heiratete.
Auch die deutschen Architektinnnen lse Oppler-Legband, Iris Dullin-Grund und Lucy Hillebrand zählen zu den gängigsten Namen innerhalb der Architekturgeschichte. Als mehrfach ausgezeichnete Architektin aus Deutschland ist zudem Regine Leibinger zu nennen. Die brasilianische Architektin und Designerin Lina Bo Bardi entwarf Bauwerke wie das Museu de Arte de São Paulo, welches auch das “schwebende Museum” genannt wird. Heutzutage sind es vor allem Bauwerke von der Irakerin Zaha Hadid und der Japanerin Kazuyo Sejima, die zusammen mit Ryue Nishizawa das Büro SANAA in Japan leitet, die als weltweit Maßstäbe setzen. Um traditionelle Geschlechtergrenzen zu sprengen, liefern auch Büropartnerschaften mit Männern einen förderlichen Rahmen für Architektinnen. Zu den bekannten Beispielen zählen hier die niederländische Architektin Nathalie de Vries von MVRDV oder die Belgierin Christine Conix von CONIX RDBM.
Frauen in der Architektur: Das sagt die Statistik
Wurden 1973 rund 17.000 weibliche Studierende gezählt, lag die Anzahl 1997 bereits bei 50.000 Studentinnen. Seit 2006 wurde nahezu eine Gleichverteilung unter den Studierenden verzeichnet. Waren 2016 58 Prozent der Studierenden Frauen, so fiel die Zahl 2021 auf 53 Prozent ab. Doch ein Blick auf die Zahlen in der Berufspraxis wirft Fragen auf. Denn der hohe Anteil an Absolventinnen spiegelt sich weder in Führungspositionen noch im akademischen Bereich wider.
Momentan liegt der Anteil männlicher Architekten bei rund 2/3. Zudem belegt eine Statistik der The Architectural Review, dass Frauen in Vollzeit in Architekturbüros bei gleicher Leistung im Schnitt 30 Prozent weniger verdienen als die männliche Kollegschaft. Auch Teilzeit ist nicht immer die Lösung: Rund 40 Prozent der Architektinnen arbeiten in Teilzeit, während es bei den männlichen Kollegen nur 12 Prozent sind.
Frauen in der Architektur kämpfen noch immer mit Klischees
Trotz der wachsenden Verwendung von zukunftsweisenden Technologien werden eher Männer für Jobs und für höhere Positionen berufen. Ein deutlicher Hinweis, dass auch 2023 in traditionellen Werten des Mannes und der Frau unterschieden wird. Frauen werden in den Bereichen Gebäudeentwurf und Innengestaltung gesehen, während Männer die Statik, Finanzüberblick und technische Umsetzung zugeteilt bekommen.
„Die traditionelle Annahme, Architektinnen seien am besten für das Entwerfen von Wohnhäusern und für Innengestaltung geeignet, ist Ausdruck ihres niedrigen Status im Beruf und nicht einer spezifisch weiblichen Eigenart“, sagt Christina Schumacher, Dozentin für Soziologie im Departement Architektur an der ETH Zürich. Dadurch passiert es auch häufig, dass Frauen, die sich als Architektinnen“ vorstellen für „Innenarchitektinnen“ gehalten werden.
„Gut Ding will eben Weile haben, und wesentlich wird auch sein, daß der Geist der Frau zur Sprache kommt, die sein will, was sie ist, und nicht scheinen will, was sie nicht ist.“
– Lilly Reich, Innenarchitektin und Designerin, 1922
LESETIPP: Frauen am Bau – Das ist die aktuelle Lage
Dies führt zu mehreren Trugschlüssen: Architektinnen könnten demnach nur erfolgreich sein, wenn sie “männliche“ Attribute wie Härte im Auftreten, lautes Sprechen, kräftiger Händedruck etc. verkörpern, und Männern unterstellt man, dass sie nicht im Stande seien ästhetisch und stilvoll zu arbeiten. Da “männlich“ konnotierte Eigenschaften zudem eine Aufwertung erfahren, während “weibliche“ Kompetenzen abgewertet und als Schwäche interpretiert werden, arbeitet dieses Verfahren gegen die Chancengleichheit. Das ist insofern relevant, da jene Unterscheidungen bei Bewerbungen vor allem für Führungspositionen von großer Bedeutung sind.
Eine Untersuchung der Universität Siegen ergab zum Beispiel, dass Frauen einen erschwerten Zugang zu führenden Positionen wie der Bauleitung hätten, da die aufgelisteten Kompetenzen vorrangig aus “männlich“ beschriebenen Fähigkeiten bestehen. So entsteht in Summe ein Berufsbild, das sich an Bildern von Männlichkeit orientiert und Männern einen exklusiven Vorteil verschafft. Es scheint zudem, dass Architektinnen bereits in der Einstellungsphase durch ihr Frau-Sein schlechter gestellt sind, da sie wegen eines potenziellen Ausfalls durch Schwangerschaft oder Elternzeit als Bewerberinnen oftmals früher ausscheiden. Im Übrigen sind auch viele Architekten Väter und sollten in die Lösung der Kinderbetreuungsfrage integriert werden.
Der potenzielle Ausfall durch Schwangerschaft und Elternzeit hebeln viele Frauen aus, wichtige Positionen im Bauunternehmen einzunehmen. Auffällig ist auch, dass Länder, in denen es wenig staatliche Unterstützung für Kinderbetreuung gibt – wie Griechenland, Bulgarien oder Kroatien – im Verhältnis die meisten Architektinnen vorweisen können. In Hinblick auf Vereinbarkeit von Familie und Beruf ergibt sich in Europa also kein einheitliches Bild.
Behörden als Arbeitgeber zukunftssicherer als Bauunternehmen?
Verglichen zu Unternehmen auf dem freien Markt bieten Behörden für viele Arbeitnehmerinnen berechenbare Konditionen. Arbeitszeiten sind stabiler, Versorgungs- und Betreuungsmöglichkeiten für Mütter etabliert. Diese Unterschiede fördern das vorhandene Ungleichgewicht von Frauen in Architekturberufen auch zukünftig. Die Architektur wird vorerst weiterhin von Männern dominiert.
Hilfreich sind unternehmenseigene Lösungen für flexiblere Arbeitszeiten, Betriebskindergarten und Betreuungsmöglichkeiten schulpflichtiger Kinder. Frauen mit akademischem Bildungsgrad in der Architektur finden sich bisher weiterhin in Assistenzstellen und Hilfstätigkeiten her. Bauunternehmen können schon jetzt von etablierten Strukturen der Behörden profitieren und ihnen gleichtun.
Das Ungleichgewicht in der Architektur lässt schließlich zwei Deutungen zu:
1) Es gibt mehr Männer als Frauen im Architekturberuf, Frauen sind im Verhältnis also untervertreten. Fazit: Architektur ist ein Männerberuf.
2) Es gibt mehr Frauen als Männer, die einen Abschluss in Architektur (Diplom, Master etc.) besitzen und trotzdem nicht als Architektin tätig sind. Das würde bedeuten, dass Frauen an der Gesamtheit der diplomierten Architekten und Architektinnen im Beruf unterrepräsentiert sind.
Alle Faktoren führen schließlich in der Praxis dazu, dass Frauen in der Architektur häufig in Hilfstätigkeiten oder Assistenzstellen gedrängt werden. So ist es oftmals der Beruf in Baubehörden und -ämtern, der vielen Frauen einen geeigneteren Rahmen von Sicherheit und Zeitmanagement gewährt. Ein Grund hierfür könnte auch in den besseren Organisationsstrukturen wie geregelte Arbeitszeiten, Möglichkeit zur Gleitzeit und ein erleichterter Wiedereinstieg nach der Elternkarenz liegen. Dies führt zu der Frage, inwiefern diese Strukturen der Baubehörden auch auf Architekturbüros abfärben könnten.
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Fazit
Was die Anzahl der Studentinnen der Architektur betrifft, liegt diese mit 53 Prozent über der Anzahl der Studenten. Zwar sind Chancen für Frauen, Karriere als Architektin zu machen, deutlich gestiegen. Allerdings hat dies meist den Preis Familiengründungen zurückzustellen oder den Partner Zuhause zu wissen. Es fehlt weiterhin an Rahmenbedingungen, Familie und Beruf als Architektin erfolgreich zu verbinden. Der Unternehmensfokus muss zukünftig mehr auf Bedürfnisse von Architektinnen liegen und auf die Durchbrechung archaischer Familienaufgaben gerichtet werden. Es scheint, dass gerade unter den vorherrschenden Arbeitsbedingungen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch die zeitintensiven Projekte für Frauen problematisch ist, und dass Architektur nach wie vor als “Männerberuf“ gilt.