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Überschwemmungen in Großstädten – Ursachen, Folgen & Maßnahmen

05.12.2022 | 12 min Lesedauer | Written by Simon

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Der weltweit steigende Urbanisierungsgrad beeinflusst den natürlichen Wasserkreislauf. Überschwemmungen in urbanen Gegenden sind längst kein Randthema mehr. Die jüngsten Vorfälle an verheerenden Flutkatastrophen wie in Mosambik oder New Orleans ließ Städte, die sich knapp über dem Meeresspiegel befinden, aufhorchen. Maßnahmen für den Hochwasserschutz wurden zu Staatsagenden. Im Gegensatz zu freien, ländlichen Gebieten stehen Stadtgebiete anderen und komplizierteren Problemen gegenüber. Dennoch sind Stadtplaner:innen davon überzeugt, dass über die letzten Jahre wichtige Innovationen hervorgegangen sind. Darunter eine nachhaltigere Gestaltung und Entlastung wasserarmer Regionen (z.B.: China) durch effizientes Managen des gespeicherten Regenwassers.

Straßen von starkem Regen in der Stadt überschwemmt. Der Hintergrund des Städtebaus und -managements.|Luftaufnahme der Münchener Viertel vom Olympia Tower im Olympia Park

Hochwasser ist der Auslöser, Überschwemmung die Konsequenz

Ein Hochwasser entsteht, wenn Binnengewässer, wie Bäche, Flüsse und Seen, nach einer starken Schneeschmelze oder intensiven Regenschauern viel Wasser führen. Hochwasser sind nur begrenzt durch eine Regulierung und Umverteilung der Wassermassen durch Dämme vermeidbar.

Richtig teuer und gefährlich wird es erst, wenn das Hochwasser zu einer Überschwemmung führt. Dabei treten die Gewässer über ihre Ufer, wodurch die angrenzenden Gebiete überfluten. 

Wie häufig sind Überschwemmungen und wer ist verantwortlich?

Zwischen 2000 und 2020 wurden jährlich weltweit fast 406 Naturkatastrophen erfasst, die mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllten:

  • Wirtschaftlicher Schaden von mindestens 50 Millionen US-Dollar
  • Versicherungsschäden von mindestens 25 Millionen US-Dollar
  • Mindestens 10 Todesopfer
  • Mindestens 50 Verletzte
  • Mindestens 2.000 Gebäude oder Strukturen beschädigt

Hochwasser und Überschwemmungen machten 36,6 Prozent dieser Naturkatastrophen aus und sind damit die mit Abstand gefährlichste Naturkatastrophe.

In Deutschland befinden sich 7,6 Prozent aller Adressen in einem Hochwasserrisikogebiet.

Wie der Mensch selbst das Überschwemmungsrisiko beeinflusst

Der menschliche Einfluss kann für die stets steigende Inzidenz von Überschwemmung verantwortlich gemacht werden. 

Der Klimawandel

Viele Menschen assoziieren den Klimawandel mit Dürre und Trockenheit. Doch auch die Regenschauer werden folglich intensiviert. Durch den Klimawandel wird der Wasserkreislauf beschleunigt. Durch die erhöhten Temperaturen verdampft das Wasser schneller. Jeder Grad Erwärmung erhöht die Verdampfungsrate von Wasser um 7 Prozent. Dieser Wasserdampf fällt später in Form von Niederschlag wieder auf die Erde herab. Gerade in den Sommermonaten kommt es so zu besonders gravierenden Regenfällen. Sowohl die Häufigkeit, als auch die Intensität der sogenannten “Extremniederschlagsereignisse” nahm in den letzten Jahrzehnten zu.

Die Manipulation der Gewässer

Menschen verändern bereits seit hunderten Jahren den Verlauf von Bächen, Flüssen und Seen. Ob zum Transport von Gütern, zur Bewässerung von Agrarflächen oder zur Erzeugung von Strom. Manchmal werden Flüsse bewusst gestaut, um landwirtschaftliche Flächen oder Siedlungsraum zu gewinnen. Leider wirkt sich diese Manipulation der Landschaft direkt auf den Verlauf eines Hochwassers aus.

In Europa wurden besonders viele Fließgewässer künstlich begradigt oder gestaut. Die Anzahl der natürlichen Überschwemmungsflächen, die als Puffer zwischen Zivilisation und Fließgewässern fungierten, wurde damit drastisch reduziert. Viele Flüsse wurden zudem “verkürzt”, was die Fließgeschwindigkeit erheblich erhöht hat. Dadurch wird indirekt die verfügbare Reaktionszeit auf drohende Überschwemmungen reduziert. 

Urbanisierung und Bebauung

In Deutschland ist die Landschaft bereits stark bebaut und bewirtschaftet. Die Äcker einer Intensivlandwirtschaft nehmen kaum überflüssiges Wasser auf, da der Boden verdichtet und kaum wasserdurchlässig ist.

Bereits 6,2 % der Gesamtfläche gelten als komplett “versiegelt” und jeden Tag wächst die Verkehrs- und Siedlungsfläche um 52 Hektar. Beton lässt Regenwasser nicht mehr an Ort und Stelle versickern, wodurch das Wasser über eine Kanalisation zurück in die Gewässer geleitet werden muss.

Die Folgen einer Überschwemmung

Die Folgen von Überschwemmungen können verheerend sein. Überschwemmungen zerstören unmittelbar Leben und Eigentum. Eine Überschwemmung kann die Beschaffenheit von Landflächen dauerhaft verändern, sodass diese kaum wiederzuerkennen sind.

Verlust von Menschenleben und Eigentum

Zu den unmittelbaren Auswirkungen von Überschwemmungen gehören:

  • der Verlust von Menschenleben
  • Sachschäden
  • die Zerstörung von Ernten, das Nichtfunktionieren von Infrastruktureinrichtungen
  • die Verschlechterung des Gesundheitszustands aufgrund von durch Wasser übertragenen Krankheiten

Die Überschwemmungskatastrophe vom Juli 2021 in Deutschland sprengte diesbezüglich alle Maßstäbe. 180 Menschen verloren ihr Leben und allein der versicherte Sachschaden beläuft sich auf etwa sieben Milliarden Euro. Derartige Überschwemmungen, die nur wenig oder gar nicht vorgewarnt werden, verursachen mehr Todesfälle als langsam ansteigende Flussüberschwemmungen.

Verlust von Lebensgrundlagen

In der oben erwähnten Überschwemmung vom Juli 2021 wurde zudem auch die komplette Infrastruktur mehrerer Dörfer zunichtegemacht. Da Kommunikationsverbindungen und Infrastrukturen wie Kraftwerke, Straßen und Brücken beschädigt und gestört werden, kommen wirtschaftliche Aktivitäten ebenfalls zum Stillstand, was zu einer Verlagerung und Störung des normalen Lebens für einen Zeitraum führt, der weit über die Dauer der Überschwemmung hinausgeht. 

Ebenso können die direkten Auswirkungen auf die Produktionsmittel, sei es in der Landwirtschaft oder in der Industrie, eine regelmäßige Tätigkeit verhindern und zum Verlust der Lebensgrundlage führen. Die Auswirkungen des Verlusts der Existenzgrundlage können sich auch in angrenzenden, nicht überschwemmten Gebieten auf Geschäfts- und Handelsaktivitäten auswirken.

Indirekte Gesundheitsrisiken

Überflutungen erhöhen das Infektionsrisiko diverser durch Vektoren oder Wasser übertragene Krankheiten wie: Malaria, Dengue Fieber, Gelbfieber, Typhus, Cholera, Hepatitis A oder Leptospirose. Meist kommt es jedoch nur zu Infektionswellen, wenn im Rahmen der Überschwemmung das Trinkwasser verschmutzt wird. Dies ist in Europa glücklicherweise nur sehr selten der Fall.

Massenmigration

In Pakistan mussten 2022 mehr als 33 Millionen Menschen aufgrund von Überschwemmungen ihr Zuhause verlassen. Häufige Überschwemmungen, die zu Existenz- und Produktionsverlusten und anderen lang anhaltenden wirtschaftlichen Auswirkungen und Arten von Leid führen, können Massenmigration auslösen. 

Die Abwanderung in entwickelte städtische Gebiete trägt zur Überbevölkerung der Städte bei. Diese Migranten und Migrantinnen erhöhen die Zahl der städtischen Armen und leben schließlich in Randgebieten von Städten, die in manchen Fällen ebenso anfällig für Überschwemmungen sind. Die selektive Abwanderung von Arbeitskräften führt in vielen Fällen zu komplexen, weitreichenden sozialen Problemen und regionaler Instabilität.

Psychosoziale Auswirkungen

Die enormen psychosozialen Auswirkungen auf die Überschwemmungsopfer und ihre Familien können sie über lange Zeiträume traumatisieren. Die Überlebenden können längerfristige psychosoziale Auswirkungen wie Not, Angst, Schmerzen, Depressionen und soziale Störungen erfahren. Schwerwiegende Belastungen können in den schlimmsten Fällen zu psychischen Störungen oder sogenannten Psychopathologien werden. Wenn die Konsequenzen der Überschwemmung bereits bewältigt wurden und dennoch eine psychische Wunde erkennbar ist, handelt es sich oft um eine posttraumatische Belastungsstörung. Insbesondere bei Kindern kann der Verlust des Zuhauses oder von Angehörigen tiefe Spuren hinterlassen.

Politische Unruhen

Eine unzureichende Reaktion auf Hilfsmaßnahmen bei großen Überschwemmungen, schlecht geplante Präventivmaßnahmen oder eine ineffiziente Zuweisung der Notdienste können zur Unzufriedenheit in der Bevölkerung oder zu einem Vertrauensverlust gegenüber den Behörden oder den Regierungen der Bundesstaaten und des Landes führen. Mangelnde Entwicklung in überschwemmungsgefährdeten Gebieten kann zu sozialer Ungerechtigkeit und sogar zu sozialen Unruhen führen, die den Frieden und die Stabilität in der Region gefährden.

Stagnation der wirtschaftlichen Entwicklung

Die hohen Kosten für Soforthilfe und Wiederaufbau können sich negativ auf Investitionen in die Infrastruktur und andere Entwicklungsaktivitäten in dem Gebiet auswirken und in bestimmten Fällen die Wirtschaft der Region lähmen. Wiederkehrende Überschwemmungen in einer Region können sowohl die Regierung als auch den privaten Sektor von langfristigen Investitionen abhalten. Der Mangel an Lebensgrundlagen in Verbindung mit der Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte und der Inflation kann sich negativ auf das Wirtschaftswachstum einer Region auswirken. Durch Ernteeinbußen können die Preise für regionale Grundnahrungsmittel erheblich steigen.

Wer haftet bei diversen Überschwemmungsschäden?

Bei der Haftung der Schäden, die durch eine Überschwemmung entstanden sind, ist die Ursache der Überschwemmungen weniger relevant. Wichtiger ist, welche Objekte beschädigt wurden.

Beschädigte Objekte Haftung
Heizkessel oder strukturelle Schäden am Gebäude Gebäudeversicherung
Wertgegenstände, die sich im Haus befinden, aber nicht fest mit dem Gebäude verankert sind Hausratversicherung
Fahrzeuge Kaskoversicherung


Zudem werden die entstandenen Schäden nur von der Versicherung übernommen, wenn eine Versicherung gegen sogenannte “Elementarsgefahren” Teil des Versicherungspakets ist. Diese deckt alle Schäden, die “durch das Wirken der Natur entstehen”

Die Wichtigkeit der Infiltration und Durchlässigkeit von Stadtgebieten

Wie oben erwähnt, beeinflussen Stadtgebiete den natürlichen Wasserkreislauf. Eine Verstädterung erhöht den Anteil fester undurchlässiger Oberflächen und lässt die abzuführenden Mengen an Oberflächenwasser in die Höhe schnellen, während die Möglichkeiten der Filtration reduziert werden. Der Niederschlag, der verdunsten kann bzw. über Pflanzen transpiriert, ist nicht ausreichend, um überschüssige Niederschlagsmengen wieder in den natürlichen Wasserkreislauf zu bringen. Der Restanteil, der über durchlässige Oberflächen durchsickert, um ins Grundwasser zu gelangen, ist verhältnismäßig gering. Es sind die verbleibenden Wassermengen, welche nur noch über undurchlässige Oberflächen wie Straßen oder Dächer abfließen können, die zum Problem werden. Sie kehren im Gegensatz zum Grundwasser viel schneller in die nächstgelegenen Fließgewässer zurück und erhöhen somit das Hochwasserrisiko.

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In Großstädten mit erhöhtem Überflutungsrisiko sollte daher zunehmend auf eine ausreichende Versickerung durch die Verbesserung der Durchlässigkeit von Oberflächen geachtet werden. In überholten Stadtentwicklungsplänen ist jedoch das Gegenteil der Fall. Die zunehmende Verdichtung von Städten impliziert, dass jeder Raum für eine maximale Nutzung von Stadtbewohner:innen genutzt wird. Dies führt zu einer Zunahme harter undurchlässiger Oberflächen und einer Abnahme durchlässiger Freiflächen.

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Ein Beispiel hierfür sind die typischen Vorgärten in Großbritannien. Um Parkplätze zu ermöglichen werden diese meist vollflächig gepflastert. In manchen Teilen Londons haben über die Hälfte aller Vorgärten feste und undurchlässige Oberflächen. Dieser Gefahr sind bald auch etliche Freizeit- und Erholungsflächen ausgesetzt. Schließlich reduziert ein derartiges „Entgrünen“ von Flächen die Kosten einer regelmäßigen Pflege und spart letztendlich an Erhaltungskosten.

Dabei ist manchmal bereits eine kleine Veränderung ausreichend, um Maßnahmen gegen Hochwasser zu treffen. Beispielsweise sind oft die höhergelegenen Grünstreifen auf Hauptstraßen eine verpasste Chance den natürlichen Fluchtweg für abfließendes Hochwasser herzustellen.

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Vorzeigestädte Köln und Lingang

Köln

Jedes Hochwasserrisikoszenario ist anders: Es gibt keinen fertig übertragbaren Entwurf für ein zielführendes Hochwassermanagement. Dazu sind Städte zu unterschiedlich. Trotzdem gibt es Vorzeigebeispiele wie Köln.

Überschwemmungen sind in der Stadt Köln nichts Neues. Diese treten seit 792 n. Chr. regelmäßig auf als von ihnen das erste Mal berichtet wurde. Dazu wurde mit den Stadtentwässerungsbetrieben Köln (StEB) sogar eine eigene kommunale Körperschaft gegründet. Diese wurde mit dem Wassermanagement der Stadt beauftragt und umfasst Leistungen wie die Abwasserentsorgung, der Bewirtschaftung von Oberflächengewässern und des Hochwasserschutzes.

Dank baulicher Maßnahmen der SteB entlang des Rheinufers, im Umfang von 70km, konnte das Schutzniveau in besonders kritischen Bereichen auf ein 1:100-jähriges Ereignis und auf ein 1:200-jähriges Ereignis angehoben werden. Zusätzlich wurden zwei Rückhaltebereiche zur Aufnahme und zum Zurückhalten des Flusswassers geschaffen. Ein wesentliches Element des neuen Kölner Hochwasserschutzsystems sind die „mobilen Mauern“ (auch demontierbare Verteidigungsanlagen genannt), die bei Bedarf in weniger als 10 Stunden auf einer Gesamtlänge von 11 Kilometern Flussufer im Stadtgebiet eingesetzt werden können.

Die Gesamtkosten für diese Schutzmaßnahmen beliefen sich 2011 auf über 400 Millionen Euro. Angesichts der Tatsache, dass ein Hochwasserstand eines 100-jährigen Ereignisses mehr als 150.000 Einwohner betreffen würde, wird die Investition als sowohl effektiv als auch effizient angesehen. Für die baulichen Maßnahmen suchte die StEB ein Gestaltungskonzept, das zum Erscheinungsbild der Stadt passt. Aus diesem Grund führte sie für die neuen Hochwasserpumpwerke einzelne Architekturwettbewerbe durch. Darüber hinaus wurden die Kölner Stadtplanung sowie einzelne Bürger:innen aktiv an der Gestaltung vieler Hochwasserschutzanlagen beigezogen. Eine wichtige Geste, um die Akzeptanz der neuen Bauten bei den Bürgern zu gewährleisten.

Lingang

Südlich von Shanghai liegt Lingang. Eine Stadt, die quasi am Reißbrett entstand. Diesen Vorteil ließ sich die Volksrepublik China nicht entgehen, um diese zukünftig gegen Überschwemmungen zu wappnen. Aus ihr sollte eine sogenannte „Sponge City“ entstehen. Übliche Betonpflasterflächen werden zu grün gesäumten Straßen. Gehwege sind mit Bäumen, Gärten und öffentlichen Plätzen voller Beete gesäumt. Die Anzahl begrünter Dächer und Regengärten wird erhöht. Der Hintergedanke dabei war stets, dass das Regenwasser für die Zwecke der Stadt funktioniert und nicht gegen sie. So wird ein kleiner Teil von Shanghai von Straße zu Straße grüner. Als Shanghais „Schwammstadt“ erprobt sie eine umweltfreundliche Alternative zu herkömmlichen Hochwasserschutz- und Entwässerungssystemen in der Küstenstadt, die langfristigen Risiken durch den Anstieg des Meeresspiegels ausgesetzt ist.

Der sich rasch vermehrende Einsatz von Beton in China hat häufig den natürlichen Wasserfluss mit harten, undurchlässigen Oberflächen blockiert. Im Durchschnitt sickern in den städtischen Gebieten nur etwa 20 bis 30% des Regenwassers über den Boden. Dadurch wird die natürliche Wasserzirkulation unterbrochen und es kommt zu Staunässe und einer Verschmutzung des Oberflächenwassers. Um dies umzukehren, konzentriert sich das Sponge City-Konzept auf grüne Infrastrukturen wie Grünstreifen, Gründächern und Regengärten. Das Hauptaugenmerk liegt auf begrünten Dächern – die Regierung von Shanghai will 400.000 Quadratmeter neue Dachgärten – oder nach und nach Bürgersteige ersetzen.

20% der bebauten Fläche eines jeden Distrikts sollen die Funktionen einer Sponge City haben. Das bedeutet, dass mindestens 70% des Regenwasserabflusses aufgefangen, wiederverwendet oder vom Boden absorbiert werden sollen. Bis 2030 sollten 80% jeder Stadt diese Anforderung erfüllen.

Infiltrationsmaßnahmen in Stadtgebieten

Ein Hauptmerkmal der meisten nachhaltigen städtischen Entwässerungssysteme ist die Erhöhung der Permeabilität und damit der Infiltration. Dazu gehören Sickergruben und Infiltrationsgräben. Eine Sickergrube ist eine unterirdische Struktur, die typischerweise kreisförmig ist und das Eindringen in den Boden erleichtert. Ein Infiltrationsgraben ist eine lineare Ausgrabung, die in der Regel mit Steinen gefüllt ist und dasselbe Ziel mit einer größeren Bodenexposition erreicht.

Diese Maßnahmen sind nur in Böden mit geeigneten Filtereigenschaften geeignet, die sich zu jeder Jahreszeit über dem Wasserspiegel befinden. Filterabläufe sind perforierte oder poröse Rohre, die in einem körnigen Füllgraben verlegt sind. Sie befinden sich normalerweise am Straßenrand, um Wasser von der Straßenoberfläche zu sammeln und abzuführen. Infiltrationsbecken sind offene Vertiefungen im Boden, in denen sich Wasser ansammelt und nach und nach aufgenommen wird.

Grasbewachsene Bodensenken und bepflanzte Filterstreifen

Bodensenken sind grasbewachsene Kanäle, die das Eindringen, Speichern und Fördern von Regenwasser ermöglichen. Im Vergleich zu flachen Grünstreifen erhöhen Bodensenken das Potenzial zur Wasserretention um ein Vielfaches. Zudem können kleine Böschungen neben kleineren Straßen verlaufen und große Böschungen neben Hauptstraßen. Der zusätzliche Einsatz bepflanzter Filterstreifen – das sind sanft abfallende Flächen mit Vegetation – werden Regenwasserspitzen verzögert und Schadstoffe und Schlick eingefangen.

Durchlässige Pflasterung

Durchlässig gepflasterte Oberflächen lassen eine gezielte Wasserinfiltration zu, entweder weil sie porös sind oder weil bestimmte Öffnungen dafür vorgesehen wurden (zum Beispiel die Zwischenräume zwischen Pflastersteinen). Die gebräuchlichsten Anwendungen sind Parkhäuser, aber auch wenig befahrene Straßen und Zufahrten. Der Unterbau bietet Speicherplatz für Regenwasser und erlaubt ihm weiter in den Boden einzudringen.

Die einzige ernsthafte Einschränkung der Infiltration in städtischen Gebieten besteht darin, dass die Gefahr besteht, dass das als Wasserressource verwendete Grundwasser verschmutzt wird. Für Garageneinfahrten und ähnliche kleinere Flächen können der Boden und die Seiten versiegelt werden und das Wasser zu einem Rohrauslass geführt werden. Für größere Flächen wird die Gesetzgebung gefordert da die Maximierung einer Versickerung ins Grundwasser einen Eingriff in den Flächennutzungs- und Zonenplan erfordert. Zudem besteht dabei die Notwendigkeit der Anerkennung von Freiflächen, die als temporäre Regenspeicher fungieren sollen.

Auch die Maßnahmen in den ländlichen Flächen außerhalb der Stadtgrenzen sind für eine Hochwasserprävention von Bedeutung. Bei der Planung und Zuteilung undurchlässiger und durchlässiger Flächen. Die Erhaltung und Erweiterung bestehender Feuchtgebiete und Wälder in den vorgelagerten Bereichen eines Einzugsgebiets verbessert die Filtration und verringert zusätzlich den Abfluss durch Verdunstungstranspiration. Primärwälder mit Laubbäumen reduzieren den Abfluss wesentlich wirksamer als Kiefernarten.

Welche Maßnahmen nicht unterschätzt werden dürfen

Wie eingangs bereits erwähnt ist jedes Hochwasserrisikoszenario anders. Städte sind zu unterschiedlich für eine universal anwendbare Lösung im Hochwassermanagement.

Folgenden Punkten sollte jedoch vermehrt Beachtung bekommen und dürfen nicht unterschätzt werden:

  • Die rasche Urbanisierung erfordert die Integration des Hochwasserrisikomanagements in die reguläre Stadtplanung und -verwaltung.
  • Überschwemmungen haben jedes Jahr erhebliche Auswirkungen auf Millionen von Menschen. Daher sollten auch in ferner Zukunft gefährdete Städte kurzfristig Maßnahmen zum Hochwasserrisikomanagement ergreifen.
  • Es ist von entscheidender Bedeutung, das Hochwasserrisikomanagement auch dann zu überwachen und zu bewerten, wenn es seit einiger Zeit kein Hochwasserereignis mehr gibt.
  • Eine erfolgreiche langfristige Umsetzung von Maßnahmen zum Hochwasserrisikomanagement erfordert eine klare Führung, starke Verfechter und die richtigen institutionellen und rechtlichen Rahmenbedingungen.
  • Die Auswirkungen von Überschwemmungen nehmen zu und können sich in Zukunft noch verschlechtern. Die Regelungen müssen kurz- und langfristig ausgewogen sein und strukturelle und nichtstrukturelle Maßnahmen umfassen.
  • Kontinuierliche Kommunikation zur Sensibilisierung und Stärkung der Bevölkerung ist erforderlich.

Maßnahmen wie diese bewirken eine Verbesserung der Versickerung von überschüssigen Wassermengen und sind Schritte in die richtige Richtung, um zu verhindern, dass das Hochwasserrisiko infolge der Urbanisierung zunimmt.

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