Über 9 Millionen Personen leben in der Schweiz– und diese müssen irgendwo wohnen. Das Problem: Der Wohnungsbau in der Schweiz hinkt der Nachfrage hinterher.
Die Leerstandsquote befindet sich auf einem Rekordtief, Bauen wird schwieriger und bis ins Jahr 2026 könnten die Mieten um rund 15 Prozent steigen. Woran das liegt, wie die aktuelle Situation beim (geförderten) Wohnungsbau in der Schweiz aussieht und was die Folgen sein werden, untersuchen wir in diesem Beitrag.
Inhalt
- Was versteht man unter Wohnungsbau?
- Wohnungsbau in der Schweiz: Aktuelle Entwicklungen
- Warum werden in der Schweiz zu wenige Wohnungen gebaut?
- Wie wird sich die Situation 2024 entwickeln?
- Wohnungsbau in der Schweiz 2024: Fazit
Was versteht man unter Wohnungsbau?
Wohnungsbau wird als Schaffung von Wohnraum definiert. Dabei ist es egal, ob dieser durch Neubau, durch Wiederaufbau, Ausbau oder Erweiterung bestehender Gebäude stattfindet.
Die Art des Wohnungsbaus lässt sich anhand der Gebäudeart, der Auftraggeber:in und des Umfangs der staatlichen Wohnungsbauförderung in Unterkategorien einordnen.
- Nach Gebäudeart
Wohngebäude lassen sich anhand ihrer Art einordnen. Anders als es der Name vermuten lässt, umfasst der Wohnungsbau nämlich nicht nur Wohnungen, sondern auch andere Wohngebäude wie Einfamilienhäuser, Terrassensiedlungen oder Doppelhäuser. Grob unterscheidet man aber zwischen Gebäuden mit einer oder mehreren Wohnungen.
- Nach Auftraggeber:in
Der Wohnbau in der Schweiz wird in erster Linie von Privathaushalten und Wohnungsunternehmen vorangetrieben. Als dritte Kategorie gibt es den Wohnungsbau der öffentlichen Hand und sonstiger Akteur:innen.
- Nach Umfang der staatlichen Wohnungsbauförderung
Die dritte Kategorisierung des Wohnungsbaus basiert auf dem Grad staatlicher Unterstützung.
Was ist sozialer bzw. geförderter Wohnungsbau in der Schweiz?
Auch wenn der geförderte Wohnungsbau und der soziale Wohnungsbau streng genommen unterschiedliche Konzepte sind, werden die beiden Begriffe in der Schweiz synonym verwendet. Eine klare Trennung zwischen gefördertem und sozialem Wohnungsbau gibt es in der Schweiz nicht.
Anders als in vielen anderen Ländern Europas spielt der soziale Wohnungsbau aus öffentlicher Hand in der Schweiz nur eine untergeordnete Rolle. Ein Grossteil des sozialen Wohnungsbaus hierzulande wird durch gemeinnützige Bauträger:innen gestemmt, was die öffentliche Hand entlastet.
Vor allem in Städten wie Zürich, Genf und Winterthur steigen die Mieten jedoch weiterhin an. Einkommensschwache Demografien haben auf dem freien Markt oft kaum Möglichkeiten, adäquate Wohnungen in zentrumsnahen Lagen zu finden. Um die Menschenwürde zu wahren und dem Konzept des Wohlfahrtsstaates gerecht zu werden, ist die Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus ein Verfassungsauftrag der schweizer Wohnungspolitik.
Wohnungsbau in der Schweiz: Aktuelle Entwicklungen
In der Schweiz herrscht eine akute Wohnungsnot. Besonders die grössten schweizer Städte sind betroffen. Doch auch in der Agglomeration des Mittellandes wird der Wohnraum immer knapper. Die Gründe dafür sind vielfältig – dazu später mehr.
Fakt ist, dass bereits Wohnungsmangel herrscht und sich die Situation ungebremst verschärft. 2024 dürfte die Wohnungsknappheit so stark sein, wie seit den 80er Jahren nicht mehr.
Parallel dazu wächst die Nachfrage. Im September 2023 knackte die Bevölkerungszahl in der Schweiz zum ersten Mal die 9-Millionen-Marke. Noch nie zuvor lebten so viele Menschen in der Schweiz wie jetzt. Laut jüngsten Schätzungen sind im Jahr 2023 rund 140’000 Leute in die Schweiz eingewandert, zusätzlich wurden über 8’000 Babies geboren. In der gleichen Zeit sind aber lediglich 42’000 Wohnungen gebaut worden – weit unter dem, was nötig ist- Expert:innen gehen davon aus, dass der Schweiz 2024 15’000 bis 30’000 Wohnungen fehlen.
Um dem Wohnraummangel entgegenzuwirken, müssen verschiedene Strategien verfolgt werden. Dazu gehören die Bekämpfung der Baulandhortung, eine stärkere Ausrichtung der Baugesetze auf Verdichtung in den Zentren, die Entschärfung politischer Zielkonflikte, die Förderung von Umnutzungen und die Beschleunigung von Baubewilligungsprozessen.
Wie viele Wohnungen gibt es in der Schweiz?
In der Schweiz gibt es rund 4,7 Millionen Wohnungen, das entspricht etwa einer Wohnung pro zwei Leute. Allerdings ist der Bestand an leer stehenden Wohnungen in den letzten Jahren massiv gesunken. Laut den aktuellsten Zahlen stehen mittlerweile nur noch rund 50’000 Wohnungen frei.
Besonders prekär ist die Situation in den Grossstädten, allen voran in Zürich und Winterthur, wo die Leerstandsquote lediglich noch 0.06, bzw. 0.19 beträgt. Doch auch in vielen anderen Städten der Schweiz ist der Wohnraum knapp. Als eine Ausnahme gibt es Basel zu nennen, welches als einzige schweizer Grossstadt (über 100’000 Einwohner) eine Leerstandsquote von mehr als einem Prozent hat. Dies ist aber nicht unbedingt auf einen verstärkten Wohnungsbau, sondern viel mehr auf die geografische Lage, direkt an der deutsch-französischen Grenze, zurückzuführen. Fast 40’000 französische, deutsche und Schweizer Grenzgänger arbeiten in Basel, wohnen aber im Ausland, was den Wohnungsmarkt in Basel entlastet.
Hier finden Sie einen Überblick zur Wohnsituation in den acht grössten Städten der Schweiz:
Stadt | Kanton | Einwohner:innen | Freie Mietwohnungen | Leerstandsquote |
Zürich | ZH | 445.000 | 144 | 0,06 Prozent |
Gèneve / Genf | GE | 203.000 | 714 | 0,29 Prozent |
Basel | BS | 173.000 | 1328 | 1,17 Prozent |
Lausanne | VD | 141.000 | 819 | 1,1 Prozent |
Bern | BE | 139.000 | 355 | 0,44 Prozent |
Winterthur | ZH | 122.000 | 212 | 0,19 Prozent |
Luzern | LU | 83.000 | 1687 | 0,96 Prozent |
St. Gallen | SG | 82.000 | 1067 | 1,15 Prozent |
Herrscht eine Wohnbaukrise?
Die Frage, ob in der Schweiz aktuell eine Wohnungskrise herrscht, hängt von deren Definition ab. Noch hat fast jeder ein Dach über dem Kopf, lediglich 8’000 bis 10’000 Menschen sind von Wohnungsverlust gefährdet und die sozialen Einrichtungen unterstützen die Betroffenen mit Notunterkünften und Hilfe bei der Wohnungssuche.
Der Traum von einer zentralen Wohnung in Städten wie Zürich bleibt immer mehr Leuten verweigert. Mit weniger als 150 freien Mietwohnungen in Zürich und einer Durchschnittsmiete von 3’250 CHF für eine 60-Quadratmeter grosse Wohnung im Zürcher Kreis 1 wird die Mittel- und Unterschicht immer mehr in die Aussenquartiere gedrängt.
Warum werden in der Schweiz zu wenige Wohnungen gebaut?
Der Wohnungsmangel in der Schweiz ist ein vielschichtiges Problem. Seit dem Jahr 2016 sinkt die Zahl der neu gebauten Wohnungen kontinuierlich. Während 2016 jährlich noch 54’000 Wohnungen gebaut wurden, werden es 2024 noch 42’000 sein. Doch weshalb nimmt der Wohnbau in der Schweiz so stark ab, obwohl die Nachfrage steigt?
Die Baupreise, der Fachkräftemangel und die gestiegenen Finanzierungskosten sind ein Grund. Im Vergleich zum europäischen Ausland drücken diese Ursachen die Bautätigkeit hierzulande aber nicht so stark. Ein wesentlicher Faktor für die sinkende Bautätigkeit hingegen könnte der Paradigmenwechsel in der Raumplanung sein, eingeführt mit dem revidierten Raumplanungsgesetz von 2014. Dieses Gesetz zielt darauf ab, Zersiedelung einzudämmen und das Wachstum in die Breite zu bremsen, wodurch die Bauzonenreserven in den letzten zehn Jahren merklich zurückgegangen sind. Problematisch ist zudem das Horten von Bauland sowie der Mangel an gut erschlossenen Bauzonen in Agglomerationen.
Konkret heisst das: in der Schweiz gibt es schlichtweg nicht genügend Bauland. Umzonungen sind kompliziert und in vielen Fällen ausgeschlossen. Mit restriktiven Vorschriften zum Landschaftsbild und einer unflexiblen Zonenplanung kann nicht so viel gebaut werden, wie eigentlich gewollt.
Dazu kommt, dass der soziale Wohnungsbau in der Schweiz keinen hohen Stellenwert geniesst. Zwar gibt es gemeinnützige Genossenschaften und Wohnangebote, die Nachfrage übersteigt das Angebot aber bei Weitem: Teilweise entscheidet das Los, Kontakte oder die Wartelisten sind so voll, sodass es Wartelisten für die Wartelisten gibt.
Um den Wohnbau anzukurbeln, muss politische Initiative her, was jedoch von vielen Eigentümer:innen und Grossanleger:innen wie den Pensionskassen nicht unbedingt gewollt ist.
Zu wenig Wohnungen: Das sind die Folgen
Welche konkreten Folgen der aktuelle Rückgang des Wohnbaus in der Schweiz langfristig haben wird, ist schwer abzuschätzen. Doch bereits heute herrscht in vielen Städten ein akuter Wohnungsmangel.
Mögliche positive Folgen
Im Optimalfall reguliert sich der Markt selbst. Eine Verknappung an Wohnraum könnte die Bautätigkeit anstossen. Möglich wäre es auch, dass der Bund, die Kantone und Gemeinden günstige Grundstücke vergeben und so den Wohnbau ankurbeln. In metropolen Regionen ist das verfügbare Bauland aber bereits knapp – hier wäre es möglich, die Zonenpläne zu überarbeiten, damit höher gebaut werden darf. Eine sich verschärfende Wohnungsnot könnte zudem den Gesetzgeber dazu veranlassen, drastischere Schritte in Richtung mehr sozialer, bzw. geförderter Wohnungsbau in der Schweiz zu unternehmen, was der Bevölkerung zugutekäme.
Mögliche negative Folgen
Bauen ist momentan nicht mehr so attraktiv wie vor einigen Jahren. Im schlimmsten Fall scheidet ein signifikanter Teil aller Bauträger:innen vom Markt aus. Für Wohnungssuchende bedeutet das höhere Mieten, weniger Auswahl und langwierige Suchen nach einem neuen zu Hause.
Wie wird sich die Situation am Schweizer Wohnungsmarkt 2024 entwickeln?
Akurate Prognosen sind immer schwierig, da der Wohnungsmarkt im Spannungsfeld zwischen zahlreichen wirtschaftlichen, politischen und demografischen Faktoren steht. So wie sich die Situation momentan gestaltet, dürfte eine Zunahme des Wohnbaus in der Schweiz jedoch noch etwas auf sich warten lassen.
2024 könnte sich eine Wohnungsnot abzeichnen, wie wir sie zuletzt in den 80er-Jahren erlebten. Laut Expert:innen ist auch ein Anstieg der Mieten von 15 Prozent bis 2026 realistisch.
Weitere Zinserhöhungen und eine steigende Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum werden den Wohnungsbau in der Schweiz auch 2024 weiter beschäftigen. Ein Faktor, der sich besonders stark auf das Angebot auswirken wird, ist das Bauland. Die Reserven an verfügbarem Bauland werden in den kommenden Jahren immer knapper werden. Was das für die Grundstücks- und Mietpreise bedeutet, zeigen Beispiele wie Hong Kong, Singapur oder London. Dazu kommt, dass rund 40 Prozent des Baulandes auf dem Land oder in der Agglomeration kaum erschlossen ist.
Politisch werden von links bis rechts Vorstösse gemacht, in der Praxis vergrössert sich das Problem jedoch weiter.
Wohnungsbau in der Schweiz 2024: Fazit
Der Bedarf an neuen Wohnungen bleibt hoch, doch die Realität kann mit den ambitionierten Zielen der Regierung nicht mithalten. Warum ist das so? Die Gründe sind vielschichtig – von eskalierenden Baukosten über steigende Zinsen bis hin zu hohen bürokratischen Vorschriften. Besonders in den Städten wird der Wohnungsmangel immer offensichtlicher. Während die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum wächst, reichen die vorhandenen Ressourcen und Fördermittel nicht aus, um das Bedürfnis zu stillen. Zusätzliche Hürden wie der Mangel an Fachkräften im Bauwesen und strenge Baunormen erschweren die Situation weiter.
Es ist ungewiss, welche Wendungen der Wohnungsmarkt bis 2024 nehmen wird, doch eines ist klar: Der Ruf nach kreativen und wirksamen Lösungen wird immer lauter, um bezahlbaren Wohnraum für alle zu schaffen.