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Frauen im Schweizer Baugewerbe
Viele Jobs auf dem Bau gelten als traditionelle Männerberufe. Maurerinnen, Sanitärinstallateurinnen und Zimmerfrauen sind eine Minderheit auf Schweizer Baustellen. Fakt ist: Frauen haben oft Berührungsängste mit handwerklichen Karrieren. Die Gründe hierfür sind umstritten, viele Fachpersonen vermuten aber geschlechterspezifische Erziehung, gesellschaftliche Normen und die hohe Männerquote auf dem Bau als Ursache, weshalb sich wenig Frauen für eine Karriere auf dem Bau entscheiden. Dennoch vergrösserte sich der Frauenanteil in den letzten Jahren kontinuierlich. Besonders was akademische Baukarrieren angeht, sind Fortschritte erkennbar. Ein Beispiel hierfür ist der Master-Studiengang der Bauingenieurswissenschaften an der Eidgenössisch Technischen Hochschule in Zürich. Der Frauenanteil hat sich in diesem, von Männern geprägten, Studienfach über die letzten 15 Jahre um durchschnittlich ein halbes Prozent pro Jahr erhöht.
Je nach Quellen beträgt die Frauenquote im Schweizer Baugewerbe etwa 12 bis 18 Prozent. Vor einigen Jahrzehnten lag der Frauenanteil noch im tiefen einstelligen Bereich. Dies ist darin begründet, dass dazumal ohnehin weniger Frauen erwerbstätig waren und dass die Stigmatisierung gegenüber Frauen auf dem Bau noch grösser war als heute. Bis Ende der 70er-Jahren wurden Bauarbeiterinnen auf bestimmten Baustellen, zum Beispiel im Tunnelbau, generell der Zutritt verwehrt, da Frauen als Sicherheitsrisiko gesehen wurden.
Diese Zeiten haben sich zum Glück geändert und immer mehr Nachwuchs auf dem Bau ist weiblich. Ein anderes Beispiel ist das Berufsbild der Malerin, bzw. des Malers. Schweizweit sind mittlerweile über 40 Prozent der Maler weiblich. Unter den Lernenden sind Frauen in manchen Kantonen sogar in der Mehrheit.
Allerdings schwanken die Werte zwischen verschiedenen Bauberufen auch heute noch beträchtlich. In den Berufsfeldern des Metallbaus, des Gerüstbaus und des Dachdeckens liegt der Frauenanteil beispielsweise weiterhin bei fünf Prozent oder tiefer.
Das Interesse bei Bauunternehmen ist gross.
Viele in der Baubranche tätige Unternehmen haben die Chancen erkannt, welche weibliche Mitarbeitende zu bieten haben. Umfragen in Baugewerben in ganz Europa erörterten die Motivationen, aufgrund welcher die Baubranche aktiv nach weiblichen Arbeitnehmerinnen sucht:
- In vielen europäischen Staaten herrscht auch auf dem Bau ein akuter Mangel an qualifizierten Fachkräften. Frauen helfen dabei, die Lücke zu schliessen, welche die alternde Babyboomer-Generation hinterlässt.
- Weibliche Angestellte auf dem Bau haben überdurchschnittlich oft akademische Ausbildungen abgeschlossen. Damit bringen sie neue Ideen, Perspektiven und Know-how in das Unternehmen.
- Eine gemischte Belegschaft wirkt attraktiver, wirtschaftet effizienter und lockt weitere Frauen an. Dies ist durch mehrere universitäre Studien aus Europa und aus den Vereinigten Staaten belegt.
- Viele Arbeitgeber sagen weiblichen Angestellten mehr Disziplin, Pflichtbewusstsein und eine höhere Motivation nach, als ihren männlichen Kollegen.
- Das Image einer Unternehmung verbessert sich mit einem steigenden Frauenanteil. Unternehmen mit vielen weiblichen Angestellten werden als modern, zeitgemäss und fortschrittlich betrachtet.
Was unternimmt die Schweizer Baubranche, um Frauen anzulocken?
Viele Unternehmen haben in den letzten Jahren verstärkt ihren Fokus darauf gerichtet, mehr Frauen anzustellen. Auch die Baubranche stellt hierbei keine Ausnahme dar. Doch was tun Bauunternehmen konkret, um mehr Frauen anzulocken?
- In einigen Stellenanzeigen wird aktiv erwähnt, dass Frauen gesucht werden, bzw. dass Frauen ausdrücklich willkommen sind.
- Bei gleicher Qualifikation werden Frauen bevorzugt.
- Aktives Anwerben von Berufseinsteigerinnen und Lernenden, zum Beispiel auf Berufsmessen, an Sekundarschulen, Gymnasien und Universitäten.
- Arbeitgeber und Lehrverbände kümmern sich darum, auf Frauen ansprechender zu wirken und ihr Image aufzupolieren.
- Gleiche Bezahlung bei gleicher Leistung – unabhängig vom Geschlecht.
- Flexible Arbeitsmodelle wie Teilzeit anbieten oder eine vergünstigte Kinderbetreuung ermöglichen.
- Konsequentes Vorgehen seitens Vorgesetzten und HR in Fällen von Diskriminierung, Sexismus oder Belästigung.
Doch wenn das Interesse der Baubranche so gross ist und Frauen aktiv angeworben werden, weshalb befindet sich dann der Frauenanteil im Schweizer Bausektor weiterhin unter 20 Prozent?
Dies liegt unter anderem daran, dass die Massnahmen, welche die Baubranche heute ergreift, noch relativ neu sind. Bis sich solche Strategien auszahlen, kann es Jahre oder sogar Jahrzehnte dauern. Vor einigen Jahrzehnten noch waren Frauen auf dem Bau in der Schweiz kaum ein Thema. Zwar gab es schon früher vereinzelt Bauarbeiterinnen, dies war jedoch alles andere als Norm. Die meisten Bauunternehmer haben sich nicht darum gekümmert, weibliche Angestellte zu finden – im Gegenteil. Oftmals bevorzugten Bauunternehmer männliche Bauarbeiter. Diskriminierung war an der Tagesordnung und Frauen wurden in vielen Fällen von der Branche selbst davon abgehalten, eine Karriere auf dem Bau zu verfolgen.
Allerdings führten auch gesellschaftliche Ansichten und sozialer Druck dazu, dass Frauen traditionell kaum in der Baubranche Fuss fassen konnten. Dies versucht die Baubranche jetzt mit Anwerbungsversuchen zu kompensieren. Es wurde höchste Zeit, dass sich die Branche entsprechend umorientierte und es bleibt zu hoffen, dass der Trend anhält.
Was motiviert Frauen dazu, auf dem Bau zu arbeiten?
Nicht nur die Arbeitgeber profitieren von weiblichen Angestellten, sondern auch umgekehrt. Für Frauen, welche den Schritt in den Bausektor wagen, bietet sich ein breites Spektrum an verschiedenen Chancen und Möglichkeiten an.
- Wie auch in anderen traditionellen „Männerberufen“, ist die Bezahlung auf dem Bau ziemlich gut. Der aktuelle Fachkräftemangel treibt die Löhne zusätzlich in die Höhe.
- Viele Unternehmen arbeiten intensiv daran, den Frauenanteil ihrer Belegschaft zu erhöhen. Mit gleichen Qualifikationen haben Frauen in vielen Betrieben bessere Aussichten auf eine Festanstellung, als Männer.
- Frauen können sich in männerdominierten Berufen unter Beweis stellen und eine Vorbildrolle für andere Frauen einnehmen.
Viele Frauen haben den Vorteil des Bausektors bereits erkannt und eine entsprechende Karriere eingeschlagen. Leider gibt es auch Frauen und Mädchen, welche sich für eine Karriere auf dem Bau interessieren, sich jedoch nicht trauen, diese Träume zu verwirklichen. Berufseinsteigerinnen fürchten sich teilweise von der Stigmatisierung, welche mit einer Karriere einer Frau auf dem Bau mit sich eingeht. Ein handwerklicher Job auf dem Bau wird von vielen als nicht prestigeträchtig und als nicht erstrebenswert gesehen. Einige Frauen haben daher Angst davor, von ihren Familien und dem sozialen Umfeld verachtet zu werden, da sie auf dem Bau zu arbeiten möchten. Auch wenn die Stigmatisierung von Frauen in Männerberufen völlig unbegründet ist, so ist sie dennoch real.
Es gibt noch viel zu tun
Frauen sind in der Baubranche weiterhin in der Minderheit. Ob je ein Frauenanteil von 50 Prozent in der Branche herrschen wird oder ob es auch gesellschafts-unabhängige Unterschiede und Präferenzen in der Berufswahl gibt, bleibt abzuwarten. Fakt ist aber, dass sich auch heute noch viel weniger Frauen für eine Karriere auf dem Bau entscheiden, als Männer. Woran könnte dies liegen?
- Die Schweiz ist – im mitteleuropäischen Vergleich – ein eher konservatives Land. Das Bild, was eine Frau ist und was sie sein soll, ist in den Köpfen vieler von femininen Stereotypen geprägt. Das Image der harten körperlichen Arbeit, des Staubs und des Drecks, welches der Bau hat, passt nicht dazu.
- Gemäss einigen Studien interessieren sich überdurchschnittlich viele Frauen für kreative Arbeit und einer Tätigkeit mit Menschen. Männer hingegen interessieren sich überdurchschnittlich oft an Dingen. Das könnte die Unterschiede in der Karrierewahl zu einem Stück weit erklären.
- Die Erziehung und die Schulbildung spielen nach wie vor eine Rolle. Bis vor weniger als 10 Jahren war es in vielen Schweizer Primar- und Sekundarschulen üblich, dass Mädchen die Fächer „Kochen“ und „Nähen“ besuchen mussten, während die Jungs ins „Werken“ gingen und dort mit Holz und Metall arbeiteten. Zudem erlauben einige Eltern ihren Töchtern nicht, mit Bauklötzen und Spielzeugbaggern zu spielen, während die Söhne keine Puppen oder Spielzeugpferde benützen dürfen.
Wie kann die aktuelle Situation für Frauen am Bau in der Schweiz weiter verbessert werden?
Das Problem der Ungleichbehandlung der Geschlechter ist tief verwurzelt. Zwar gibt es auch genetische Unterschiede zwischen Mann und Frau, doch in erster Linie wird die Gesellschaft als Verursacher der Ungleichheit gesehen. Nicht nur die Bauunternehmen, sondern die Gesellschaft als Ganzes sollte daher Schritte unternehmen, um faire Karriereentscheide für beide Geschlechter zu ermöglichen.
- Wenn sich Mädchen fürs Bauen, für Bagger und für Kranen interessieren, sollte dieses Interesse nicht unterbunden werden. Vielmehr sollten Eltern und Aufsichtspersonen diese Leidenschaft ernst nehmen und ggf. fördern.
- Das Interesse an traditionellen Männerberufen, wie dem Bau, kann durch Zukunftstage, Schulbesuche etc. geweckt werden.
- Mit Einsatz von neuen Medien ist eine zielgerichtete Ansprache von Frauen und Mädchen möglich.
- Eltern sollten ihre Kinder in der Berufswahl unterstützen und keine Karrieren aufdrängen. Das Gleiche gilt für Lehrpersonen mit Blick auf ihre Schülerinnen und Schüler.
Frauen am Bau: Wie steht die Schweiz im internationalen Vergleich dar?
Im Vergleich zu anderen Mittel- und Westeuropäischen Länder liegt die Schweiz ungefähr im Durchschnitt. In Deutschland ist etwa 18 Prozent des Baupersonals weiblich, in Österreich 13 bis 15 Prozent und in Frankreich etwa 13 Prozent. In den Ländern in Süd und Osteuropa sind im Schnitt nur gut 3 bis 7 Prozent aller Personen auf dem Bau weiblich.
Etwas tiefer als in Westeuropa befindet sich der Schnitt in vielen englischsprachigen Ländern. In den USA liegt der Frauenanteil auf dem Bau bei 9 bis 10 Prozent, im Vereinigten Königreich bei 11 Prozent, in Kanada und in Australien 12 Prozent und in Südafrika bei 11 Prozent.
Den höchsten Frauenanteil hat die Baubranche in Skandinavien, mit Norwegen an der ersten Stelle. Durch Quoten und eine geschlechtsneutrale Ausbildung erziele Norwegen einen Frauenanteil auf dem Bau von 35 Prozent.
Einen sehr niedrigen Frauenanteil oder gar keine Informationen über Frauen im Bausektor, haben viele Länder im Nahen Osten, in Südostasien und auf dem afrikanischen Kontinent. Besonders tiefe Werte haben Saudi-Arabien und Indonesien.
Fazit
Die Schweizer Baubranche ist nach wie vor geprägt, von männlichen Arbeitnehmern. Im internationalen Vergleich ist die Schweiz hierbei jedoch leider eher die Norm als die Ausnahme. Dennoch kommt Bewegung in die Sache und der Frauenanteil steigt auch in der Schweiz kontinuierlich an. Der Frauenanteil unter Berufseinsteigern ist in vielen Baujobs um einiges höher als in der bisherigen Belegung. Auch Bau-bezogene Studiengänge und Berufslehren freuen sich über immer mehr Absolventinnen. Der Lehrgang “Maler EFZ” hat in einigen Kantonen sogar bereits mehr weibliche Lernende als männliche. In den letzten Jahrzehnten hat sich auch bezüglich gesellschaftlichen Ansichten und Rollenbilder einiges getan. Trotzdem ist noch Luft nach oben.
Viele Baufirmen haben aber mittlerweile das Potenzial erkannt, welches von weiblichen Angelstellen ausgeht und werben daher aktiv Frauen an. Gezielte Ansprache, flexible Arbeitsmodelle und gleiche Bezahlung sind auch in der Baubranche grundlegende Schritte, um weibliche Fachkräfte zu gewinnen. Doch nicht nur die Baubranche, sondern die Gesellschaft als Ganzes ist gefordert, um beiden Geschlechtern eine faire Karrierewahl zu ermöglichen. Besonders in der elterlichen Erziehung und in den Schulen, wo die Weichen gestellt werden, ist der Einfluss gross. Eine Interessenförderung, unabhängig von geschlechtsspezifischen Stereotypen, kann dabei helfen, Mädchen früh für eine Karriere auf dem Bau zu motivieren. Der Weg ist noch weit, doch wir scheinen uns in die richtige Richtung zu bewegen.