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Kinetische Architektur – Der Traum vom beweglichen Haus

29.10.2019 | 5 min Lesedauer | Written by Johannes Heinrich

Kinetische Architektur ist die Konstruktion von Gebäuden mit beweglichen Teilen, um bestimmte Funktionen auszuführen, oder um ästhetische Zwecke zu erfüllen. Dank neuer technologischer Entwicklungen wachsen die Möglichkeiten und Anwendungsbereiche. Hier erfahren Sie alles zu den aktuellen Trends, der historischen Entwicklung und warum kinetische Systeme einen wichtigen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit leisten.

Kinetische Architektur - Space Needle in Seattle

3 Vorteile kinetischer Architektur

Moderne Elemente der kinetischen Architektur werden von manchen Kritikern als sinnlose, dafür aber kostenintensive Spielerei charakterisiert. Befürworter halten dem entgegen, dass sie sehr wohl einen Beitrag zur Baukunst leisten. Drei Gründe lassen sich ausmachen, warum kinetische Architektur im 21. Jahrhundert Sinn macht:

  1. Gesteigerte Ästhetik – Bewegliche Elemente von Gebäuden sorgen für Abwechslung und neue Perspektiven. Objekte und ihre Umgebung werden optisch aufgewertet.
  2. Funktionalität – Ob bewegliche Wände im Einfamilienhaus oder das faltbare Dach einer Veranstaltungshalle: Flexible Systeme erweitern den Nutzen von Gebäuden.
  3. Größere Nachhaltigkeit – Kinetische Elemente sorgen bei Bedarf für mehr Licht, weniger Schatten, oder eine bessere Kühlung und sparen so Energie.

Historische Entwicklung kinetischer Architektur

Bewegliche Teile von Gebäuden sind keine Erfindung der Neuzeit, sondern existieren schon seit Jahrtausenden. Die Entwicklung der kinetischen Architektur kann grob in vier Phasen unterteilt werden.

Kinetische Architektur seit der Antike

Klassische Beispiele für frühe kinetische Systeme in Häusern sind Türen oder Fensterläden – fest mit dem Haus verbundene, bewegliche Teile, die eine bestimmte Funktion erfüllen. Verfügten Gebäude zuvor nur über fixe Öffnungen, stellten diese Erfindungen einen wichtigen Schritt hin zu mehr Komfort (Regulierung von Licht und Luftzirkulation) für die Bewohner dar und ermöglichten neue Wege im Design. Auch in Punkto Sicherheit stellte die kinetische Architektur des Altertums eine bedeutende Entwicklung dar. Beispielsweise erhöhten Zugbrücken die Wehrhaftigkeit von Burgen und Festungen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass alle kinetischen Systeme dieser Zeitspanne von menschlicher oder tierischer Muskelkraft betrieben wurden.

Kinetische Systeme während der Zeit der industriellen Revolution

Mit dem Aufkommen von Maschinen und durch die Nutzung von Dampf und Elektrizität wuchsen ab dem 18. Jahrhundert auch die Möglichkeiten der kinetischen Architektur. Eine heutzutage kaum mehr wegzudenkende Erfindung dieser Zeit ist der elektrische Lift. Er ermöglichte durch die gesteigerte Mobilität innerhalb von Gebäuden fortan die Errichtung größerer und höherer Objekte.

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Pelser Brücke in Zwolle

Kinetische Architektur des 20. Jahrhunderts

Die rasante Entwicklung elektronischer und digitaler Systeme brachte im 20. Jahrhundert den nächsten großen Sprung im Bereich kinetischer Architektur mit sich. Computergestützte Planung, 3D-Modelle und der Einsatz innovativer Materialien, wie zum Beispiel Aluminium, ermöglichten die Konzeption und Umsetzung innovativer Lösungen im Objektbau. Mit den neuen Möglichkeiten veränderte sich auch das Bild davon, was ein Gebäude ausmacht. Häuser verloren bis zu einem gewissen Grad ihren Status als über Jahrhunderte hinweg unveränderliche Objekte. Sie wurden zu sich verändernden Lebensräumen, die sich den menschlichen Anforderungen anpassen. Beispiele dafür sind modulare Gebäude, die sich in beliebigen Konfigurationen erweitern oder reduzieren lassen.

21. Jahrhundert: Die Zeit fortgeschrittener kinetischer Systeme

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts werden die Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte im Bereich der kinetischen Architektur immer weiter verbessert und um neue Aspekte erweitert. Künstliche Intelligenz, ferngesteuerte Systeme und der Einsatz von Robotik erweitern bestehende Lösungen. Beispiele sind Lifte, automatische Parkplatzsysteme und kinetische Systeme, die auf sich durch äußere Einflüsse wie Geräusche, das Wetter, oder die Anwesenheit von Menschen, verändern. Veranschaulicht werden die neuen Möglichkeiten am Hypo Surface Wall. Das Kunstobjekt macht deutlich, zu welchen Leistung neueste Technologien in der Lage sind.

Al Bahr Towers in Dubai - kinetische Fassade

Kinetische Architektur als Teil von Umweltkontrollsystemen

Wie beschrieben wurde in der Architektur schon vor Jahrtausenden der Vorteil kinetischer Systeme für die Kontrolle von Umwelteinflüssen erkannt. Dank neuer Technologien können diese Lösungen einen wichtigen Beitrag zu mehr Wohlbefinden und Effizienz im Sinne einer nachhaltigen Stadt leisten. Derartige Systeme lassen sich nach Ramzy und Fayed in verschiedenen Kategorien zusammenfassen:

Kinetische Fassaden

Eine kinetische oder bewegliche Fassade beschreibt eine aus mehreren Einzelteilen bestehende Gebäudehülle. Eine wichtige Funktion liegt in der Beeinflussung des einfallenden Sonnenlichts – etwa durch Elemente, die mit der Sonne wandern. So orientiert sich die kinetische Fassade der Al Bahar Türme in Dubai an Sonnenschirmen und trägt zu einem geringeren Energieverbrauch für die Kühlung der Gebäude bei. Gerade im Bereich der kinetischen Fassaden wurden in den letzten Jahren große Fortschritte verzeichnet, was den Nutzen und die damit einhergehende Energieeffizienz betrifft. Eine bewegliche Fassade ist aber auch ein bedeutender Faktor für das Aussehen oder die Ästhetik eines Objekts, wie das Beispiel des Flughafens Brisbane zeigt.

Einziehbare oder ausfahrbare Elemente

Diese Systeme beschreiben relativ große Teile von Gebäuden, die als Ganzes entlang eines baulich vordefinierten Pfades bewegt werden können, um einen bestimmten Zweck zu erfüllen. Ein prominentes Beispiel aus Deutschland ist die Veltins-Arena in Gelsenkirchen. Ihre mechanischen Dächer lassen sich öffnen und schließen, je nachdem, ob ein Fußballspiel oder Konzert ansteht.  Ebenso kann der Rasen bei Bedarf aus dem Stadion ausgefahren werden. In diese Kategorie fallen unter anderem auch Zugbrücken, die durch ihre flexiblen Bestandteile die Passage von Schiffen ermöglichen.

Bewegliches Haus / Drehbare Gebäude

Gebäude dieser Kategorie drehen sich in Teilen oder als Ganzes entweder um ihre eigene Achse oder bewegen sich entlang vorbestimmter Wege. Drehrestaurants wie die Space Needle in Seattle sind ein klassisches Beispiel, wobei in diesem Fall der ästhetische Aspekt im Vordergrund steht. Andere Gebäude dieses Typus stellen bewusst den Gedanken der Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt. So wurde das Drehhaus im hessischen Heuchelheim als Passivhaus konzipiert, das sich mit der Sonne dreht. So kann es über den Tag ein Maximum an Energie aufnehmen – ein Konzept, dass gerade beim Hausbau in kalten Regionen als vielversprechende Lösung erscheint.

Fazit

Der Nutzen kinetischer Systeme in der Architektur reicht deutlich über rein optische Aspekte hinaus. Dass derartige Lösungen in Zukunft eine immer weitere Verbreitung finden werden, liegt an neuen technologischen Lösungen, die eine Umsetzung zu vertretbaren Kosten ermöglichen.

Die Bewohner und Nutzer von Gebäuden profitieren von dieser Entwicklung – gerade, weil sich Lebensstile, tägliche Aktivitäten und Bedürfnisse im 21. Jahrhundert verändern und eine Neugestaltung unseres Lebensraumes erfordern.

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